Hauptteil
Talverbrücke mit Museumsturm im Hintergrund, um 1905.
Die Geschichte des Stadtmuseums Bozen ist gleichsam ein Spiegel der Kulturpolitik in Tirol und Südtirol der vergangenen 130 Jahre.
Das Stadtmuseum als Vereinsmuseum: Gründungsjahre und Museumsbau
Stadtmuseum, um 1905.
1882 wurde aus dem Christlichen Kunstverein heraus der Museumsverein Bozen gegründet, dessen erstes Ziel es war, Sammlungen und Mittel für ein Stadtmuseum in Bozen anzulegen, um der Zerstreuung von Kunst- und Kulturgütern, allen voran Kirchenkunst, entgegenzuwirken. Gründungsobmann und zugleich einer der treibenden Persönlichkeiten dieser Anfangsjahre war Hochwürden Karl Atz, Benefiziat in Terlan und erster amtlicher Denkmalpfleger Tirols.
Bereits nach wenigen Jahren konnte der Museumsverein dem Bozner Publikum im Gesellenhaus (heute Kolpinghaus) eine feste Dauerausstellung bieten.
1900 beschloss die Stadt den Bau des Museumsgebäudes und 1905 konnte das Stadtmuseum im heutigen Gebäude eröffnet werden.
Im 2. Stock wurde für Kammerkonzerte und Vorträge ein zweigeschossiger Saal mit einem hohen Lichtschacht bis zum Dach angelegt, wo mehrere Hunderte Personen Platz fanden.
Längsschnitt des Konzertsaals, um 1902
Als ein Museum für Kunst und Gewerbe in Bozen konzipiert und damit dem vorherrschenden Bildungsideal von der Verbindung des Schönen mit dem Nützlichen verpflichtet, gab es im Südflügel des Gebäudes auch Werk- und Unterrichtsräume der staatlichen Kunstgewerbeschule mit einem eigenen Eingang und Treppenhaus: Museumsdirektor und Gestalter der Ausstellungsräume war der akademische Maler Tony Grubhofer, der auch als Zeichenlehrer an der Gewerbeschule tätig war. Die naturkundlichen Sammlungen des Bozners Georg Gasser – nach wechselvoller Geschichte heute Grundstock des Südtiroler Naturmuseums in der Bindergasse - rundeten das Sammlungsangebot ab, ganz im Sinne von kleinen Universalmuseen.
Das Vereinsmuseum unter dem faschistischen Regime
Stadtmuseum nach dem Umbau in den Dreißiger Jahren
Mit dem Ende des ersten Weltkrieges und besonders mit der Machtergreifung der Faschisten brach ein neues Zeitalter über das beschauliche Museum herein. Ende 1932 musste der Museumsverein auf Veranlassung des Präfekten die Leitung an die Stadtverwaltung abtreten, im Gegenzug erhielt er ein Mitspracherecht im Kuratorium. 1935–1937 wurde das Haus unter der Federführung des Direktors Wart Arslan, der als bekannte Persönlichkeit von Kultur 1933 aus Mailand berufen worden war, radikal umgebaut, die ausgestellten Sammlungen aber regelrecht „umgekrempelt“: Im Sinne des rationalistischen Formgefühls und im Geiste der faschistischen Kulturpolitik entstand ein Museumsparcours, der die Kunstwerke und Objekte aus ihrem kulturgeschichtlichen Zusammenhang herauslösen und sie vielmehr von ihrer ästhetischen Seite zeigen sollte.
Von Wart Arslan in den 1930er Jahren erneuerte Ausstellungsräume
Als nach außen deutlich sichtbares Zeichen dieser Erneuerung, in deren Verlauf das Stadtmuseum 1938 noch zum „Museo per l’Alto Adige“ avancieren sollte, wurden zugleich auch die bedeutendsten Architekturelemente des eklektisch-historisierenden Baus zurückgebaut und entfernt: alle Erkertürmchen mussten weichen, die Nische mit der Statue Oswalds von Wolkenstein verschwand und der Turm wurde bis auf einen flach gedeckten Stumpf abgetragen. Nach innen sollte neue Ausstellungsfläche gewonnen werden, diesem Vorhaben fiel der Konzertsaal zum Opfer, im Sinne daß eine Zwischendecke durchgezogen wurde. Das Mehrzweckgebäude sollte von nun ab nur als Museum dienen.
Die schwierigen Jahre von Option und Zweitem Weltkrieg überstanden die Museumssammlungen relativ unbeschadet. Im geschickten Zusammenspiel der gemeinsamen Interessen von „Dableibern“ im Museumsverein mit Josef Ringler, Mitglied der Kulturkommission, und mit dem 1939 berufenen Direktor Nicolò Rasmo kam es zu entscheidenden Verzögerungen bei der Teilung der Museumssammlungen.
Der Neubeginn des Stadtmuseums unter der Leitung von Nicolò Rasmo
Von Nicolò Rasmo in den 1950er Jahren erneuerte Ausstellungsräume
Nach dem Zweiten Weltkrieg legte die Stadtverwaltung zunächst ihr finanzielles Augenmerk auf den Wiederaufbau der notwendigen Infrastrukturen. Deshalb vergingen einige Jahre, bis Nicolò Rasmo das Gebäude wieder herstellen und schrittweise zugänglich machen konnte.
1948 wurde eine große Ausstellung zur mittelalterlichen Kunst in Südtirol organisiert. 1952 eröffnete er zuletzt die Volkskunstsammlungen im dritten Obergeschoss.
Bezüglich der Gestaltung des Museumsrundganges schloss Rasmo – wohl auch aus finanzieller Notwendigkeit – an den Rundgang von 1937–38 an, er verwendete weiterhin die Vitrinen und stoffbespannten Basen der Ausstellung Arslans und ergänzte diese, wo notwendig.
Nicolò Rasmo leitete nicht nur das Stadtmuseum Bozen, sondern er war als anerkannter Kunsthistoriker hauptamtlich Funktionär, später auch Leiter der staatlichen Denkmalpflegebehörde in Trient, wo er ebenso das wesentlich größere Museum im Castello del Buonconsiglio führte. Die Konzentration mehrerer Funktionen in der Person seines Direktors über insgesamt drei Jahrzehnte hatte für das Stadtmuseum entscheidende Folgen. Rasmo, der als Denkmalpfleger stets ganz Südtirol im Auge hatte, verstand das Stadtmuseum weiterhin als „Museo per l’Alto Adige“, auch weil er kaum andere funktionierende museale Einrichtungen im Land vorfand. Immer wieder gelangen ihm bedeutende Ankäufe und Erwerbungen aus ganz Südtirol, darunter die Florentiner Reliquienlade aus der Churburg.
Lorenzo di Bicci und Embriachi-Werkstatt, Reliquenkassette, 2. Hälfte 14. Jh., Herkunft: Schluderns, Schloss Churburg
Auch machte er in einer Zeit florierender Kirchendiebstähle (1950er bis 1970er Jahre) aus der Not eine Tugend und rettete aus Kirchen und Kapellen, was noch nicht gestohlen war, wobei er gezwungen war, die Statuen, Altäre, Bilder etc. in den bestehenden Ausstellungsrundgang zu integrieren, da die Depoträume im Museum klimatisch ungeeignet waren.
Die mehr oder weniger kontinuierliche Anreicherung der Dauerausstellung mit Neuerwerbungen und Dauerleihgaben erhöhte die Objektdichte in den Räumen und veränderte im Laufe der Jahrzehnte erheblich das Gleichgewicht der ursprünglichen Präsentation.
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